Es geht nicht zusammen, dass wir Gewaltausübung einerseits bestrafen, aber sie andererseits dort, wo Frauen aufgrund mangelnder Verteilungsgerechtigkeit ein Leben in fortgesetzter Ausbeutung führen müssen, wie in der Prostitution, tolerieren.

Rede zum Internationalen Frauentag am 8.März, am Yppenmarkt, gehalten von Susanne Riegler als Vertreterin des Vereins Feministischer Diskurs.

Nach dem unfassbaren Brandanschlag vor zwei Tagen auf eine Frau in der Wiener Nußdorfer Straße, stellen sich die altbekannten Fragen: Warum so brutal? Warum schon wieder? Wann hört das endlich auf?  Warum machen Männer überhaupt so etwas?

Polizeistatistiken sagen, dass zu den häufigsten Tötungsmotiven Trennungsabsichten der Frauen gehören und ihre Weigerung wieder zum Mann zurückzukehren.

Männer sind also offensichtlich auch in egalitären Gesellschaften der Meinung, sie hätten nach wie vor ein Recht auf ‚ihre‘ Frau, ein Recht auf Sexualität und das Recht über Frauen Gewalt auszuüben.

In Österreich werden monatlich zwei Frauen umgebracht. Dem nicht genug: Es gibt auch organisierte Frauenhasser im Netz, die in Schwärmen über einzelne von uns herfallen, um uns verbal zu vergewaltigen und mit dem Tod bedrohen. Solcherart Shitstorms sind in Wahrheit nichts anderes als virtuelle Steinigungen hinter denen nicht selten Männerrechtler, Maskulinisten und gewaltbereite Rechte stecken, die die patriarchale Ordnung wieder re-etablieren wollen und es auch deshalb auf Frauen abgesehen haben, weil diese ihnen Sex verwehrt hätten; Dazu ein Buchtipp: „Politische Männlichkeit“ von Susanne Kaiser

Warum gibt es dieses Anspruchsdenken überhaupt? Es ist ja nicht so, dass dieses Denken nur einige männliche Irrläufer hegen würden. Denn wie anders ist es zu erklären, dass es einen weltweiten Markt für 1,3 Millionen gehandelter Frauen und Mädchen und Buben geben kann, die in die Sexindustrie  geschleust werden? Und dazu kommen noch die  nicht-versklavten  Sex-Anbieterinnen, die „selbstbestimmt“ und „freiwillig“ der Armut in Rumänien, Bulgarien, Moldawien entkommen wollen und mangels Alternativen ihren Körper in Wien, Mürzzuschlag, Wels oder Neunkirchen anbieten.

In Österreich haben wir das  männliche Recht auf sexuelle Befriedigung, das lange Zeit in unserem Ehe- und Familienrecht verankert war, Mitte der 1970er Jahre ausgeräumt. 1989 wurde dieses aufgekündigte ‚Männerrecht‘ weiter eingeschränkt, indem die Vergewaltigung in der Ehe  zu einem Sexualstrafdelikt wurde.

Wie ist es nun aber zu erklären, dass eine Gesellschaft einerseits Gewalt und Vergewaltigung  zurecht streng bestraft, und in einem anderen Feld, nämlich in der Prostitution  – aber z.B. auch in der Pornografie –  toleriert?

Wir alle wissen, dass z.Bsp. in der Prostitution immens viel Gewalt passiert,  auch wenn hier niemand offiziell die Mordversuche und Morde an Frauen zählt. Gewalt ist auch in der Pornografie alltäglich: Erst vor einigen Wochen musste der Welt größte Pornovideo- Streamer „Pornhub“ nach „New York Times“ – Recherchen sage und schreibe  9 Millionen Videos vom Netz nehmen, weil sie Footage von Missbrauch Minderjähriger und extrem gewalttätige Szenen mit Frauen beinhalteten.

Gestern habe ich eine Presseaussendung der Grünen gesehen, in der es zu dem jüngsten Brandanschlag auf eine Frau heißt, dass die abscheuliche Tat „eindrücklich vor Augen führt , wie notwendig feministische Bewusstseinsbildung im Kampf gegen patriarchale Gewalt nach wie vor ist!“

Nun: Zur Bewusstseinsbildung gehört meines Erachtens u.a. auch, dass wir genau hinschauen, was Frauen abgesehen von der Gewalt in der Prostitution noch alles widerfährt – nämlich u.a. ärgster Rassismus.  Es gibt Laufhäuser wo in einer Etage nur Nigerianerinnen, im nächsten Stockwerk nur Chinesinnen, und wieder in einem anderen Ungarinnen und Rumäninnen zur Auswahl stehen.

Wir vom Verein Feministischer Diskurs, der ein Mitglied der Plattform STOPP SEXKAUF ist, versuchen seit  Jahren darauf aufmerksam zu machen, dass es sich schlicht und einfach nicht ausgehen kann, wenn wir auf der einen Seite Männern ihr „vermeintliches“ Recht auf Sexualität  zugestehen, nur weil sie dafür bezahlen, um uns dann gleichzeitig zu wundern, dass die Frauenverachtung inzwischen so tief verankert ist, dass sie sich immer häufiger in Femiziden entlädt.

Und es geht auch nicht zusammen, dass wir Gewaltausübung zwar grundsätzlich bestrafen, aber sie dort, wo Frauen aufgrund mangelnder Verteilungsgerechtigkeit ein Leben in fortgesetzter Ausbeutung führen müssen, wie in der Prostitution, tolerieren.

Und weil es heute auch um den Erhalt des Autonomen Frauenzentrums im WUK geht,  geht, möchte ich noch abschließend sagen, dass dieses einer der ganz wenigen noch bestehenden Räume für solche Diskussionen ist.  Diskussionen, die für den Feminismus unentbehrlich sind, weil sie die Herrschaftsverhältnisse auf allen Ebenen in Frage stellen und das garantiert selbstbestimmt .