KOMMENTAR von LENA WEIHER

Wochenlang beherrschten die zu Silvester von „ausländisch aussehenden Männern“ in Köln und Hamburg begangenen sexuellen Übergriffe die Berichterstattung die Medien.

Jetzt werden Kurse zum respektvollen Umgang mit Frauen für Flüchtlinge und Asylwerber gefordert. Angesichts meiner Erfahrungen und Beobachtungen stellte sich mir sofort die Frage, ob nicht auch Inländer Nachhilfekurse für ein respektvolles Miteinander der Geschlechter bräuchten – gerade was Sexualität anbelangt.

Ich denke in diesem Zusammenhang an die fortschreitende Normalisierung der Prostitution und die oft extrem sexistische Bordellwerbung im öffentlichen Raum. Diese ästhetisierende Werbung bagatellisiert nicht nur die Prostitution, sondern suggeriert wie jede sexistische Werbung, Frauen seien allzeit verfügbare und willige Sexobjekte.

Die Werbung übertüncht, dass mehr als 90% der Prostituierten aus Ländern kommen, die Mädchen und Frauen weit weniger Chancen bieten, als wir unseren Töchtern bieten können. Sie lässt uns ausblenden, dass nach dem Gender Data Report (2004) 87 % der Frauen in Prostitution in Deutschland Gewalterfahrungen vor ihrem 16. Lebensjahr hatten und nach einer Studie von Sibylle Zumbeck (2001) 50 % sexuell missbraucht wurden. Damit wird auch verschleiert, welche Folgen es für Prostituierte hat, wenn tagtäglich zehn und mehr Freier am Tag in ihren Körper eindringen. Das Gesamtbild, das Prostitution für mich ergibt, ist die Fortsetzung strukturell bedingter Benachteiligung von Frauen und Gewalt an Frauen.

Aber wir müssen nicht nach Deutschland und nicht ins Rotlichtmilieu blicken – sexuelle Gewalt und Belästigung an Frauen sind allgegenwärtig. Nahezu jede Frau meiner Generation (1960er Jahre) kennt Frauen, die in ihrer Kindheit teilweise schwerstens sexuell missbraucht wurden – v.a. in der eigenen Familie. Und nahezu jede macht bis heute Erfahrung mit Exhibitionisten, sexuellen Übergriffen in (Hoch-)Schulen, am Arbeitsplatz oder onanierenden Männern in Zügen oder Straßenbahnen. Nach der Österreichischen Prävalenzstudie zur Gewalt an Frauen und Männern (2011) sind 75 % aller österreichischen Frauen im Laufe ihres Lebens sexuell belästigt worden, 30 % haben sexuelle Gewalt erfahren!

Und wie wenig Ernst wird die sexuelle Integrität von Frauen heute noch immer genommen! Der unsägliche Begriff „Grapschparagraf“ im Rahmen der Strafrechtsnovelle 2015 rund um sexuelle Belästigung beweist dies. Ein Kavaliersdelikt eben, und Prostitution ein Herrenrecht. Verhaltensempfehlungen an Frauen zur Vorbeugung von Übergriffen sind ein weiteres Armutszeichen und ein alarmierendes Signal, auf welch sandigem Boden unsere frauenrechtlichen Errungenschaften gebaut sind.

Es ist Zeit alle Männer in die Pflicht nehmen – inländische wie ausländische!