Frauen und Mädchen sollen in Österreich „in allen Lebensbereichen“ sicher und frei von Gewalt leben können. Um dieses Ziel zu erreichen, will SPÖ-Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner bis Jahresende den Nationalen Aktionsplan (NAP) gegen Gewalt an Frauen präsentieren. Ein Bereich soll allerdings ausgespart bleiben: die Prostitution.

Am 23. Februar 2024 betrat ein Mann im 20. Wiener Gemeindebezirk ein Asia Studio und metzelte mit mehreren Messern drei Prostituierte nieder. Die damalige Frauenministerin Susanne Raab zeigte sich über die Brutalität der Tat „tief erschüttert“, ebenso die SPÖ-Frauensprecherin und nunmehrige Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner, die damals die sofortige Umsetzung eines Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen forderte. Nun, da es endlich so weit ist und „auf Hochtouren“ (Ministerin Holzleitner) am NAP gearbeitet wird, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass das Thema Gewalt gegen Frauen in der Prostitution offenbar nicht als Bestandteil dieses wichtigen Plans berücksichtigt werden soll. Diese Information erhielten wir auf Nachfrage bei der für die Koordinierung des NAP zuständigen Leiterin für Gewaltprävention und Gewaltschutz in der Frauensektion.
Wir empfinden es als völlig widersinnig und verantwortungslos, gewaltvolle Erfahrungen von Frauen in der Prostitution von vornherein und vorsätzlich auszuklammern – gerade vor dem Hintergrund, dass ausgerechnet die Ermordung der drei Prostituierten in dem Asia-Studio der letzte entscheidende Impuls zur Umsetzung dieses Aktionsplans war.
Die alltägliche Gewalt in der Sexindustrie NICHT in den Gewaltschutzgesetzen zu berücksichtigen, grenzt an Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal tausender Frauen.

Der Dreifach-Femizid in dem Asia-Studio 126 in Wien Brigittenau war einer der grausamsten, aber nicht der erste Frauenmord, der in den letzten Jahren im österreichischen Rotlichtmilieu passierte: Prostituierte wurden zu Tode geprügelt, erwürgt, auf die Straße geworfen und mit dem Auto überfahren. Im alltäglichen Geschäft werden Prostituierte gewürgt, an den Haaren gerissen, hoch schwanger penetriert, bei „Gang Bangs“ von bis zu 20 Freiern benützt und vieles mehr.

Um dieser Gewalt wirksam zu begegnen, haben Frankreich, Island, Schweden, Norwegen, Kanada, Israel und Irland ein Sexkauf-Verbot nach dem Vorbild des Nordischen Modells eingeführt.

Auch der 2023 vom EU-Parlament mehrheitlich angenommene Bericht Regulation of prostitution in the EU: its cross-border implications and impact on gender equality and women’s rights (Berichterstatterin: Maria Noichl) empfiehlt allen EU-Mitgliedstaaten das Nordische Modell. Dieses wird auch als Equality Model bezeichnet, da die ‚legitimierte‘ Benützung und Vergewaltigung von Frauen jeglichen Gleichstellungsbestrebungen zuwider-läuft.

Auch im UN-Bericht Prostitution and violence against women and girls aus dem Jahr 2024 der UNO-Sonderbotschafterin Reem Alsalem, wird Prostitution als „ein System der Ausbeutung und eine aggregierte Form der männlichen Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ definiert. Dieser Bericht empfiehlt ebenfalls klar die Einsetzung des Equality Models als Rechtsrahmen zur Abschaffung des Sexkaufs.

Jetzt wäre also die Chance diesen internationalen Empfehlungen bzw. Aufforderungen endlich nachzukommen. Sie nicht zu nutzen, würde bedeuten, tausende Frauen in der Sex-Industrie ihrem Schicksal zu überlassen. Da außerdem die Normalisierung der Gewalt in der Prostitution auf ALLE Frauen Auswirkungen hat, fordern wir, den laufenden interdisziplinären Prozess zur Erstellung des Nationalen Aktionsplans zu nützen, und die vom Europäischen Parlament und der UN vorgeschlagenen Maßnahmen in die Arbeitsgruppen einzuarbeiten.