Am 27. September 2016 stellte der französische Botschafter Pascal Teixeira da Silva das französische Prostitutionsgesetz der österreichischen Presse vor.

Nach mehrjähriger Debatte in der Nationalversammlung – und gegen den Widerstand des konservativen Senats – wurde das Gesetz gegen das Prostitutionssystem und zur Verbesserung der Situation prostituierter Personen im April 2016 verabschiedet und ist seit dem 14. April 2016 in Kraft. 268 Abgeordnete stimmten dafür, vor allem Sozialisten und Front de gauche (Linksfront), 138 dagegen, darunter die Grünen, 79 enthielten sich. Von den Konservativen (UMP) stimmte ein Viertel dafür.

Frankreich ist somit das fünfte Land Europas, das Prostitution abgeschafft hat – zwei Jahre nach Kanada. Wie bei der Abschaffung der Sklaverei geht es auch um einen Wandel der gesellschaftlichen Werte. Der Freier werde nicht mehr als Part eines romantischen Paars gesehen, so der französische Botschafter, „der Freier ist verabscheuenswürdig“. Vorbei sei es mit der Ästhetisierung der Prostitution, „Schluss mit La traviata! Die Realität ist grausam“. 93 % der 30000 Prostituierten kommen aus dem Ausland, viele aus Rumänien, Nigeria und zunehmend China. Der Menschenhandel zählt zur zweitlukrativsten kriminellen Handlung weltweit, die chinesische Mafia gewann bei der Vermarktung weiblicher Körper an Boden. Laut einem UNO-Bericht werden 80 % der Frauen aus Nigeria, die über Libyen und dem Mittelmeer nach Europa kommen, in die Prostitution geschleust. Die Zahlen erinnern an die Worte des französischen Dichters Victor Hugo: „Man sagt, die Sklaverei sei aus der europäischen Kultur verschwunden. Das ist ein Irrtum. Sie besteht noch immer, aber sie lastet nur noch auf der Frau und heißt Prostitution.“

Das französische Gesetz stützt sich auf sechs Pfeiler:

Prostituierte Menschen sind Opfer und somit straffrei (Abschaffung des unter Sarkozy eingeführten Kundenfang-Delikts)

Ein Ausstiegsprogramm wird eingerichtet. Artikel 7 des Gesetzes legt die Finanzierung im Rahmen des Staatsbudgets mittels einem eigens eingerichteten Präventionsfonds fest, in den auch die Gelder der konfiszierten Güter und Produkte von Menschenhändlerringen und ZuhälterInnen fließen, sowie die Strafen der Freier und ihre Kostenbeiträge für die Sensibilisierungskurse.

Ausländische Prostituierte, die das Ausstiegsprogramm annehmen, erhalten eine mindestens sechsmonatige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, sie kann bei Bedarf (etwa im Zuge eines Prozesses oder für die gesamte Dauer des Ausstiegsprogramms) verlängert werden. Dagegen ist vor allem die Front National Sturm gelaufen, befürchtete sie doch, Frauen würden eigens für die Aufenthaltserlaubnis massenweise ins Land strömen und sich „ein bisschen prostituieren“.

Freier sind nicht mehr der „neutrale“ Part der Prostitution. „Der Kauf von sexuellen Diensten [ist] Ausbeutung des Körpers und Gewalt gegen Frauen“, so die französische Frauenministerin Laurence Rossignol. Freier werden mit einer Strafe von 1.500 Euro belangt, im Wiederholungsfall bis zu 6.700 Euro. Sie müssen auf eigene Kosten an einem Sensibilisierungskurs teilnehmen. Bereits Ende Juni, also zweieinhalb Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, gab es über 40 Verurteilungen.

Eingeführt werden Präventionsprogramme gegen die Vermarktung des menschlichen Körpers, sowohl in der Öffentlichkeit als auch in den Schulen. „Sex zu kaufen heißt, sich am Menschenhandel und an der Schädigung tausender gefährdeter Menschen zu beteiligen“, so die Sensibilisierungskampagne des Ministeriums für Familie, Kinder und Frauenrechte. Im Unterrichtsgesetz wird  festgelegt, dass über die Gefahren des Prostitutionssystems und über den Menschenhandel (in aufgeteilten Gruppen altersgerecht) informiert werden muss.

In allen französischen Departments wird eine neue Instanz eingerichtet, sie dient der Koordinierung der Hilfestellung für die Opfer von Prostitution. Die Mittel für die Aushebung der Zuhälterringe werden aufgestockt. Seit dem neuen Gesetz sind Polizei und Gerichte nicht allein auf die Menschenhandelsopfer angewiesen – von ihnen schweigen viele aus Angst, weil ihre Kinder oder andere Familienangehörige in den Heimatländern bedroht werden – , sie können sich auch auf die Aussagen der Freier stützen.

Das französische Prostitutionsgesetz zielt somit auf Schutz und Hilfe für prostituierte Frauen, auf die Aushebung der Zuhälterei, die Bekämpfung des Menschenhandels und auf die „Reduktion der Nachfrage“, so die Genderbeauftragte der französischen Botschaft, Angelika Le Brun. (Anm.: In jeder französischen Botschaft muss es eine(n) Genderbeauftragte(n) geben, und ein wesentlicher Bestandteil der französischen Entwicklungshilfepolitik 2013-2017 ist die Gender- und Entwicklungsstrategie, die eine Art „Kompass der Gleichheit“ festlegt. Die Genderfrage wird so zu einem transversalen Thema der Auswärtigen Agenda der Republik Frankreich.) Wie in Schweden, Norwegen, Island, Nordirland und Kanada wird die sexuelle Be- und Vernutzung von Frauen als mit der Gleichberechtigung unvereinbar betrachtet. In diesen Ländern ist es für Männer und Burschen nicht cool, das uralte Herrenrecht eines Freiers in Anspruch zu nehmen. Dies betonte auch die Referentin für Handel, Presse und Kultur an der Schwedischen Botschaft, Frau Mag. Daphne Springhorn beim Pressefrühstück: Es gehe darum, „welche Gesellschaft wir haben wollen“. Jeder Mensch habe ein Recht auf Sicherheit, Unverletzbarkeit und Unversehrtheit – egal welches Geschlecht. Die Abschaffung der Prostitution betreffe alle Frauen:  Es gehe darum, „dass Väter respektvoll mit ihren Töchtern UND mit anderen Frauen umgehen.“

In Frankreich setzte sich ein Bündnis von über 100 feministischen NGOs für die Abschaffung der Prostitution und gegen die Vermarktung des menschlichen Körpers ein. Sie taten dies als konsequente Fortführung des Kampfes gegen die Sklaverei – und auf den Spuren der ehemaligen Prostituierten Marthe Richard, die 1946 maßgeblich für die Abschaffung der Bordelle verantwortlich zeichnete.

Postskriptum:

Das Pressefrühstück in der Residenz der Französischen Botschaft war eine Möglichkeit sich zu informieren und einen Dialog aufzubauen. Leider hatte sich das Frauenministerium entschuldigen lassen. Aus Ignoranz, Desinteresse oder weil man nicht wahrhaben will, dass Österreichs Prostitutionspolitik frauenverachtend ist und Frauen zerstören kann?  Im 7. Wiener Bezirk wurde vor kurzem mittels Leuchtschriftreklame eine Gang Bang Party beworben. Eine Frau musste sich dabei von 20 Männern „so richtig durchnehmen“ lassen, hieß es auf der homepage des Lokals. Nicht nur von der Sex-Industrie, auch von LEFÖ wird solcherart abgefeierte Massenvergewaltigung als „Gruppensex“ bezeichnet. Die ehemalige Prostituierte Rachel Moran aus Irland beschreibt in ihrem Buch „Was vom Menschen übrig bleibt“, wie eine Kollegin auf diese Art zerstört wurde. Dies ist in Österreich legal. (In Deutschland seit der Reform des Prostitutionsgesetzes von 2016 nicht mehr).

Vollständiger Text des Französischen Prostitutionsgesetzes 2016 gegen das Prostitutionssystem und zur Verbesserung der Situation prostituierter Personen:

http://www.assemblee-nationale.fr/14/ta/ta0716.asp

Französische Botschaft:

Französisches Prostitutionsgesetz

Bündnis zur Abschaffung der Prostitution:

www.abolition2012.fr