„Es ist großartig in einem Land aufzuwachen, in dem ein Mann nicht länger für mich, für dich oder irgendeine andere Frau oder einen Mann bezahlen kann.“ (Space International)

Seanad Éireann, das irische Oberhaus, bestätigte am 22. Februar 2017 die Sexual Offences Bill. Bereits vorher hatte die Abstimmung im Dáil Éireann, dem irischen Unterhaus, eine klare Mehrheit offenbart: 94 von 103 Abgeordneten, fünf Parteien von der Labour bis zur Sinn Féin, hatten für das neue Gesetz gestimmt, nur die kleine Partei der Grünen und einige Abgeordnete votierten dagegen oder enthielten sich der Stimme.

Rachel Moran (Bild oben), Gründerin von Space International, Journalistin, Überlebende von sieben Jahren Prostitution, twitterte an diesem 22. Februar 2017: „Dieser neue Tag in Irland gehört nicht nur den Überlebenden der Prostitution. Er gehört jedem kleinen Mädchen, das in Irland aufwächst. Er gehört ihrer Zukunft.“

Eine Zukunft, wie sie vor einigen Jahrzehnten noch unvorstellbar war: Prostitution abschaffen, Freier bestrafen? Dieses „älteste Gewerbe“, das es „immer“ gegeben hat, soll der Vergangenheit angehören? Wie Gladiatorenkämpfe, Leibeigenschaft, Sklaverei, ehemännliches Züchtigungsrecht gegen die Frau?

Sollte sie tatsächlich denkbar und gestaltbar sein, eine Zukunft der freien Geschlechterliebe?

Dem Gesetz ging ein zehnjähriger Kampf der „Turn Off the Red Light Campaign“ voraus, einem breiten Bündnis von 72 Organisationen von SPACE International, Ruhama, dem Irish Feminist Network, der Labour Partei, dem Immigrant Council of Ireland, den Krisenzentren für vergewaltigte Frauen über den Landfrauenverband, Kinderschutzorganisationen, der  Gewerkschaft der Krankenschwestern und Hebammen, der Freedom From Pornography Campaign bis zum Gewerkschaftsbund.

Als sich der Gewerkschaftsbund der Kampagne anschloss, geschah dies mit einem deutlichen Bekenntnis, dass Prostitution, kein „Beruf“ ist, die Wortkreation „Sexarbeit“ eine PR-Strategie der Profiteure von Gewalt gegen Frauen. Mit dem Nordischen Modell wolle man ihnen ein klares Signal geben: „In diesen Ländern ist der Markt geschlossen!“

In Irland war bereits 2008 beschlossen worden, Freier von Zwangsprostituierten zu bestrafen – machten sie aber geltend, dass sie von Zwang nichts bemerkt hätten, hatten sie nichts zu fürchten. Das ist nun anders.

Die Sexual Offences Bill ist wie in Schweden ein ganzes Gesetzespaket, es umfasst das Sexkaufverbot, die völlige Dekriminalisierung von Prostituierten, verschärfte und neue Gesetze gegen Kinderpornografie und Grooming.

Frances Fitzgerald, Vize-Ministerpräsidentin (Tánaiste) und Ministerin für Justiz und Gleichstellung sagte, sie sei absolut überzeugt, dass dies ein Schlüsselgesetz ist. Es schütze jene, die am leichtesten Opfer sexueller Ausbeutung werden und richte sich gegen die Profiteure. Die Geschäftsführerin der Irish Society for the Prevention of Cruelty to Children (ISPCC), Grainia Long begrüßte die neue  Gesetzgebung als einen „Meilenstein für den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Irland.“

Es dürfte kein Zufall sein, dass das „Gesetz gegen sexuelle Vergehen“ beides in den Fokus nimmt: den Kampf gegen Prostitution und gegen die sexuelle Gewalt an Kindern. Sind doch die meisten Frauen, wenn sie in die Prostitution geraten, keine Frauen, sondern Mädchen: Drei Viertel sind beim Einstieg in die Prostitution unter 18 Jahre, weltweit liegt das Durchschnittsalter beim Eintritt in die Prostitution bei 14 Jahren. Rachel Moran war 15, als sie zum ersten Mal prostituiert wurde. In ihrem Buch „Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prostitution“ beschreibt sie, wie ein Freier sein Glück nicht fassen konnte, dass sie, die er als Vierzehnjährige in der Straße vorm Heim angestarrt hatte, jetzt tatsächlich auf der Straße steht. (S. 228.)

Zahlreiche Erfahrungsberichte, die der Parlamentsausschuss für Justiz und Gleichberechtigung gesammelt hatte – über 850 Prostituierte hatten berichtet – zeigen auf, was das größte „Kapital“ in der Prostitution ist: das jüngste Alter. „Eine Menge Menschen, die für dieses Gesetz gesorgt haben, waren selbst in der Prostitution in diesem Land“, zitiert EMMA Rachel Moran.

Und die Freier? Sie werden sich nicht freuen. Genauso wenig wie ihre Lobbyisten bei Amnesty International oder die sogenannten „Sexworker“, gelbe Gewerkschaften aus finanziell potenten BordellbetreiberInnen und Zuhältern. Doch: Freier werden nicht geboren. Sie werden dazu „gemacht“, von einer globalisierten Sexindustrie auf Marktexpansion. Ihr Trieb ist genauso natürlich wie die einstige Lust der Römer auf blutende und sterbende Gladiatoren.

Die Mädchen und Burschen in Irland werden in einer anderen Gesellschaft groß werden.

Gesetzestext und weiterführende links: https://www.oireachtas.ie/documents/bills28/acts/2017/a0217.pdf

http://www.justice.ie/en/JELR/Pages/PR17000103

http://www.newstalk.com/New-laws-on-sexual-offences-come-into-force

http://www.emma.de/artikel/kein-sexkauf-irland-334389