Sonja Pleßls Rede auf der Autonomen FrauenLesbenDemo gegen eine Sexindustrie, die weltweit Lobbyismus betreibt, gelbe Gewerkschaften an Verhandlungstische setzt, mit allen Mitteln am Auf- und Ausbau der Freierkultur arbeitet, Aussteigerinnen bedroht und verschwinden lässt und Lügen verbreitet:

Liebe Frauen!

Einen solidarischen Gruß allen Kämpferinnen, insbesondere den alleinerziehenden!
8. März: Ein Tag des Feierns, des Kämpfens – und der Visionen!
Wie lange hat es gedauert, bis das Frauenwahlrecht erkämpft werden konnte!
Wie sehr wurden damals Frauenrechtlerinnen diffamiert, mit jener Herrschaftstechnik, die auch heute angewendet wird: Lächerlich machen und gleichzeitig drohen, dass bei einer Änderung alles noch schlimmer werden würde.
Ich bin von der österreichweiten Plattform Initiative STOPP SEXKAUF, zu unseren Gründungsmitgliedern gehören u.a. die Jugendorganisation Freethem, Solwodi Österreich, der Verein Feministischer Diskurs, SozialarbeiterInnen mit langjähriger Erfahrung in der Arbeit mit Prostituierten und Männer für Geschlechtergleichstellung.
Mein Name ist Sonja Pleßl. Vor einem Monat war ich in Indien, auf der zweiten Weltkonferenz gegen sexuelle Ausbeutung, zur Abschaffung der Prostitution, organisiert von der größten Selbsthilfeorganisation von und für Prostituierte, Apne Aap in Indien, und Coalition Against Prostitution mit 16 Frontline-NGOs vom Baltikum bis Südafrika.
„Voices From Red Light Despatch“ ist die von Apne Aap herausgegebene Zeitschrift, in dem Prostituierte und deren Mädchen schreiben, ich zitiere:
„Wir wollen das Erbe der Kolonisierung abschaffen, als die Briten indischen und nepalesischen Mädchen und Frauen ‚erlaubten’, in legalen Bordellen in Mumbai zu arbeiten, um dort britischen Soldaten zu dienen.“
Bei der Konferenz waren indigene Frauen aus Indien, die Dalit und Adivasi, Organisationen ehemaliger Prostituierter wie Survivor Speak  und SPACE International, die Indigenous Women Against Sex Industry aus Kanada, Jugendorganisationen und Gewerkschaften, darunter der älteste indische Gewerkschaftsbund, der größte französische Gewerkschaftsbund, die Gewerkschaft der indischen Eisenbahner, die größte spanische Gewerkschaft, die Gewerkschaft der indischen Straßenverkäuferinnen und natürlich der Frauenflügel der kommunistischen Gewerkschaft Indiens.
Sie alle riefen zum Nordischen Modell auf und gegen das – Zitat – „ultraliberale Konzept der ‚Sexarbeit’“, das Frauen suggeriert, sexuelle Ausbeutung und fehlende Wahlmöglichkeit als eigene freie Wahl hinzunehmen.
Nicht dabei waren Medien aus Deutschland und Österreich.
Frauen wie wir von der Plattform Initiative Stopp Sexkauf, die die Kühnheit haben, eines der ältesten Herrenrechte anzugreifen und deren Abschaffung zu fordern, wie einst die Antisklavereibewegung die Sklavenhaltergesellschaft, werden als Moralisten, Utopisten, Verklemmte, Verrückte abgetan. In anderen Ländern werden sie umgebracht.
Wir kämpfen gegen eine Sexindustrie, die weltweit Lobbyismus betreibt, gelbe Gewerkschaften an Verhandlungstische setzt, mit allen Mitteln am Auf- und Ausbau der Freierkultur arbeitet, Aussteigerinnen bedroht und verschwinden lässt, Lügen verbreitet. Geworben wird mit „happy shiny people“ wie einst mit singenden Sklaven auf Plantagen im freundlichen Sonnenschein.
Bei Prostitution geht es nicht ums Reden und nicht um Lust. Es geht um das Nützen von Körperöffnungen, um Frauen, Mädchen und Burschen als Sexspielzeug.
Das Nordische Modell, einst eine Utopie der Frauen in den am weitesten gleichberechtigten Ländern mit dem höchsten Frauenanteil im Parlament, ist mittlerweile Realität in Irland, Frankreich, Kanada, Nordirland, Island, Norwegen, Schweden, wird in Kuba und Israel debattiert, vom Europäischen Parlament gefordert.
Das Nordische Modell beinhaltet immer Entkriminalisierung der prostituierten Frauen, Hilfe zum Ausstieg, Prävention und Freierbestrafung. Der Staat verdient nicht mehr an den prostituierten Frauen, er muss Geld für Prostituierte in die Hand nehmen.
Denn in der Gleichstellung geht es um das Recht der Frauen, nicht auf Frauen!
Nicht von ungefähr gibt es in Australien, Neuseeland, Holland, Deutschland und Österreich die größten Widerstände: Kolonialismus und Faschismus prägten einen ganz bestimmten Blick auf bestimmte Frauen, slawische Frauen, indigene Frauen, Roma-Frauen, Frauen aus Asien und Afrika. Sie sollen doch froh sein, von etwas leben zu können.
Rachel Moran, ehemalige Prostituierte aus Irland, Gründerin von SPACE International, schreibt in ihrem Buch Was vom Menschen übrig bleibt:
„Es gibt nur einen Grund für Sex zu bezahlen – wenn er nicht gewollt ist.“
Zwei Drittel aller Prostituierten leiden an Posttraumatischen Belastungsstörungen, mindestens so viele erlitten bereits in Jugend oder Kindheit sexualisierte Gewalt.
Dies kann man leugnen oder als „Kompetenzen“ bezeichnen wie es ein Deutscher Kriminologe tat – es ändert nichts an der täglich neu zugefügten sexuellen Gewalt.
Wenn wir heute Abend durch die Straßen gehen, stellen wir uns vor: Jeder Mann kann jederzeit zugreifen, er braucht nur bezahlen, egal ob nett oder nicht, Demokrat oder Rassist oder Islamist, rechtsradikal oder einfach nur lustig.

Frauenkampf heißt:
Männerprivilegien abzuschaffen,
Frauen kollektive Rechte und Freiheiten zu erringen.

Liebe Frauen!
Seien wir solidarisch!
Bleibt unbequem!
Werdet unbequem!

Rede als PDF